Reformationsempfang des Kirchenkreises zum Thema "Um Himmels willen, gebt die Erde nicht auf"

Nachricht Ronnenberg, 31. Oktober 2022

Krise bietet Chance für mehr Klimaschutz

Über viele angemeldete und spontane Gäste freute sich am Abend vor dem Reformationsfest Superintendentin Antje Marklein in der Ronnenberger Michaeliskirche. „Wir knüpfen endlich wieder an die Tradition bis 2019 an, uns jährlich hier zu treffen am 30. Oktober und ins Gespräch zu kommen, Kirche und Zivilgesellschaft, Vereine und Schulen, junge und alte Menschen aus verschiedenen Zusammenhängen. An diesem Tag haben uns immer aktuelle Themen bewegt am Vorabend der Reformation, die ja für Umbrüche in Kirche und Gesellschaft steht“, sagte sie in ihrer Begrüßung und erinnerte an die Zäsuren der Jahre seit dem letzten Kirchenkreisempfang am 30. Oktober 2019, an die Corona-Pandemie und den schon acht Monate währenden Krieg in der Ukraine. Sie nannte aber auch Diskussionen, ob Kirche klar genug Positionen bezogen habe oder ob sich Kirche grundsätzlich aus solchen Fragen heraushalten solle und gab die Antwort: „Gut, wenn wir im Gespräch sind, auf vielen Ebenen, auf dem Marktplatz, in der Kirche, in Familienkreisen und auf Demonstrationen, auf der Arbeit und mit unseren politischen Vertretern“. 2019 ist auch das Jahr, seitdem die Bewegung „Fridays for Future“ (FFF) Massen mobilisierte und den Klimaschutz in den Mittelpunkt stellte. Und deshalb lud der Kirchenkreis zum diesjährigen Empfang auch Fachleute ein, die unter der Überschrift „Um Himmels willen, gebt die Erde nicht auf“ Impulse zum klimagerechten Handeln gaben.

Zunächst stellte Kay Rabe von Kühlewein die Arbeit von FFF vor. Er erinnerte an die großen Schülerstreiks und Demonstrationen, aber auch an konkrete Aktionen, wie zurzeit für den Erhalt des Dorfes Lützerath im Bereich des Tagebaus Garzweiler. Die Bewegung habe seit 2019 großen politischen Einfluss nehmen könnten, lautete sein Fazit. Über das bundesweite Aktionsprogramm "Natürlicher Klimaschutz" informierte Olaf von Drachenfels vom Naturschutzbund (Nabu) in Barsinghausen. Er nannte verschiedene Beispiele, wie Naturräume CO2 speichern. Das sind unter anderem intakte Moore, Wälder aber auch Meere. "Auch eine klimagerechte Landwirtschaft gehört dazu. Der Anteil der Landwirtschaft an den Treibhausgaben betrug 2010 zum Beispiel 28 Prozent. Für den nötigen Umbau ist aber auch Hilfe durch die Politik für Landwirte nötig", betonte Olaf von Drachenfels. Ein weiterer Impulsgeber am Abend war Udo Sahling, der frühere Geschäftsführer der Klimaschutzagentur der Region Hannover. Er sieht in der derzeitigen Energiekrise auch eine Chance, das 2-Grad-Ziel zu erreichen. "Die Begrenzung auf 1,5 Grad Erderwärmung sehe ich nicht mehr als erreichbar an, aber gerade jetzt steuert die Regierung massiv um und auch der Einfluss von Fridays For Future hat viel bewirkt. Jetzt wird endlich Energie gespart. Vorher war Energie immer viel zu billig", sagte er und warb auch für einen massiven Ausbau von erneuerbaren Energien, wie Windkraft und Photovoltaikanlagen.

Mit konkreten Vorschlägen für Klima- und Umweltschutz hatten sich die Konfirmandinnen Neele Stryk, Johanna Lücke, Emilia Kuhlmann und Johanna Wille mit Pastorin Ute Kalmbach in Kirchdorf befasst und stellten in der Michaeliskirche 15 Ideen vor, wie der persönliche ökologische Fußabdruck verringert werden kann - indem zum Beispiel Verpackungsmüll oder Plastikflaschen vermieden wird. Im Anschluss aller Kurzvorträge entwickelte sich eine rege Diskussion mit den Gästen, die nachfragten aber auch eigene Ideen einbrachten, wie auch mehr Klimaschutz durch Verzicht. Mit einem gemeinsamen Kanon zum Motto des Abends, dem "Um Himmels willen, gebt die Erde nicht auf" aus der Feder von Siegfried Macht endete der Empfang. Kirchenkreiskantor Christian Windhorst schuf mit seinen Orgelimprovisationen, wie der hörbar tickenden Uhr die musikalische Klammer um alle Beiträge. Pastorin Elke Pankratz-Lehnhoff, die für die Vorbereitungsgruppe die Kurzvorträge moderierte, lud alle Gäste ein, sich am Ausgang noch Baumsamen, die Nabu-Mitglieder in Barsinghausen gesammelt hatten, mitzunehmen und diese zu Hause zu pflanzen. Der Abend klang mit Gesprächen und Begegnungen bei einem Imbiss im Gemeindehaus aus.

Fotos und Text: Freitag

Zentrale Aussagen von Kay Rabe von Kühlewein:

  • Die Klimakrise ist JETZT, sie wurde zu lange verschlafen und wir gefährden dadurch die Zukunft der kommenden Generationen und bereits heute das Leben der Menschen im Globalen Süden!
  • Wir können handeln und das bedeutet vor allem politisch. Dort müssen die großen Hebel zur Emissionssenkung eingeleitet werden. Fridays for Future ist dafür seit vier Jahren kontinuierlich auf der Straße und wird dies auch weiter fordern. Wir müssen die 1,5°C aus dem Pariser Klimaabkommen für ein lebenswertes Leben auf unserem Planeten unbedingt einhalten!
  • Dafür müssen auch alle bedrohten Dörfer, die akut von der Abbaggerung durch die Braunkohle bedroht sind bleiben. Wir müssen so schnell wie möglich weg von fossilen- hin zu Erneuerbaren Energien!
  • Jeder einzelne kann sich dafür engagieren, in diversen Umwelt- und Klimagruppen und beim nächsten Klimastreik auf der Straße. Alle Infos dazu unter fridaysforfuture.
Vortrag von Kay Rabe von Kühlewein zum CO2-Budget

Zentrale Aussagen von Olaf von Drachenfels:

Natürlicher Klimaschutz: Klimaschutz mit Naturschutz verbinden

  • Intakte Ökosysteme sind natürliche Klimaschützer.
  • Wälder und Auen, Böden und Moore, Meere und Gewässer sowie naturnahe Grünflächen in der Stadt binden Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre und speichern es langfristig.
  • Sie wirken zudem als Puffer gegen Klimafolgen, indem sie Hochwasser mindern und bei Hitze für Abkühlung sorgen.
  • Natürlicher Klimaschutz verbindet den Schutz von Klima und Natur. So wirkt er der ökologischen Doppelkrise aus Erderwärmung und Artenrückgang gezielt entgegen.
  • Klimaschutz und Schutz der biologischen Vielfalt sind gleichrangig.
  • Der Schutz von Mooren, Wäldern, Gewässern und Meeren sowie die Extensivierung der Landwirtschaft sind wesentliche Elemente des Klimaschutzes.
  • Wir brauchen mehr Windkraftwerke und Photovoltaikanlagen, doch verursachen auch sie Umweltschäden und erfordern zur Herstellung nicht nachwachsende Rohstoffe.
  • Daher muss die Reduzierung des Energieverbrauchs höchste Priorität haben.

Zentrale Aussagen von Udo Sahling:

Es ist 5 nach 12. Aber wir sind es den nachfolgenden Generationen schuldig, jetzt endlich alle Kraft in die Erreichung der Klimaneutralität der Region Hannover bis zum Jahr 2035 zu stecken.

Dabei können wir alle durch Energieeinsparung und suffizienteres Verhalten einen Beitrag leisten. Nachhaltiges Energiesparen ist allerdings sowohl im Bereich der Gebäudemodernisierung als auch im Bereich von Industrie und Gewerbe ein längerfristiger Prozess, weil mit erheblichen Investitionen, Material- und Handwerkereinsatz verbunden und bis zum Jahr 2035 nicht abzuschließen.

Deswegen kommt es jetzt darauf an, den Ausbau der Erneuerbaren massiv voranzutreiben. Jeweils ca. 2,5% der Fläche in der Region für Windenergie- und PV-Freiflächenanlagen werden benötigt und die Nutzung von 50 bis 60% der Flächen auf den Dächern sowie auf versiegelten Flächen. Denn neben dem Ersatz von Kohle-, Atom- und Öl-/Gaskraftwerken benötigen sowohl die Wärme- wie auch die Verkehrswende vor allem erneuerbaren Strom und die Industrie grünen Wasserstoff. Nur so können die Versäumnisse der Vergangenheit noch überkompensiert werden.

Wir Christen können das durch den Bau von Solaranlagen auf eigenen Gebäuden sowie auf kirchlichen Gebäuden mit voranbringen; aber vor allem ist es erforderlich, den Bau von großen Windenergie- und Solaranlagen in der Nachbarschaft in Bürgerversammlungen zu unterstützen, denn sie stellen zukünftig unser Überleben und das aller Tiere und Pflanzen auf unserer Erde sicher.